[RealMoneyTrader]: Psychologie im Trading (Teil 1/10)

Statistiken belegen es: 95% der Börsianer verlieren am langen Ende Geld. Zwischenzeitlich, vorübergehend, für ein Weilchen verdient dabei sogar fast jeder etwas. Doch die Zahl derer, die nach drei und mehr Jahren einen positiven Kontostand aufweisen können und erst Recht die Zahl jener, die es schaffen, trotz zwischenzeitlicher Draw Downs und schlechter Phasen, am langen Ende immer wieder neue Equity-Hochs zu erreichen, ist verschwindend gering. Grund genug, sich der Frage zu widmen, woran das liegen mag. Wenn Sie jemanden fragen, der gerade ein für sich verlustträchtiges Unterfangen an der Börse beendet hat, wird er freilich sagen: „Börse ist Zockerei, das funktioniert alles nicht.“ Doch das sind lediglich die wenig reflektierten Worte eines gefrusteten Börsianers, der sein Scheitern nicht auf eigene Fehler und Unzulänglichkeiten hin untersucht hat. Dabei gibt es zweifelsohne und nachweislich Tradingstrategien, die profitabel sind und definitiv funktionieren. Der Grund für das Scheitern und den Frust so vieler müssen wir also dort suchen, womit sich die allerwenigsten auseinandersetzen: in der Psychologie!

Ich selbst handele seit 20 Jahren mit meinem Geld an der Börse. Ich habe so ziemlich alles durchlaufen und an Fehlern gemacht, was man machen kann. Zudem habe ich das Glück, dass ich seit inzwischen 14 Jahren Trader aus- und weiterbilde, ihnen Strategien und die Hintergründe dieser vermittele. Sowohl das persönliche Reflektieren, als auch der Einblick in das Handeln (und nicht handeln) von weit mehr als tausend Tradern bringen mich zu der Erkenntnis, dass es viel mehr Strategien und Handelstechniken gibt, die funktionieren, als es Trader gibt, die sie konsequent und dauerhaft umsetzen können! Und die wesentlichen Ursachen dafür liegen in der Psychologie. Dabei spielen Charakterzüge, die Einstellung, der Umgang mit negativen Erlebnissen und Rückschlägen, aber auch die Konditionierung (Macken, Gewohnheiten, eingebrannte Sichtweisen) aus der Kindheit und dem Alltag/Job eine gewaltige Rolle. Meiner Überzeugung nach setzen sich viele angehende Trader zu wenig mit ihren eigenen limitierenden Faktoren auseinander. Dadurch klafft dann nicht selten eine gewaltige Lücke zwischen der Realität des Marktes und der Vorstellung des Traders. Wer kein Verständnis für die Komplexität dieses Geschäfts entwickelt und mit einer gehörigen Portion Realismus und Demut, vor allem aber mit Geduld ran geht, der wird schnell in eine geradezu kindhaft trotzige Haltung abgleiten, die der Beginn einer regelrechten Demontage seiner selbst ist. Ich möchte versuchen, in dieser zehnteiligen Serie zum Thema „Psychologie im Trading“ die gravierendsten Fehler und woher sie rühren aufzuzeigen. Dabei gehen wir die einzelnen Entwicklungsphasen eines Börsianers/Traders im Schnelldurchlauf chronologisch durch. Vielleicht erkennen Sie sich dabei des Öfteren wieder.

 

Der anfängliche Erfolg

In der Zusammenarbeit mit den von mir betreuten Tradern habe ich unglaublich viele Parallelen zwischen den einzelnen Tradern und deren Entwicklung ausmachen können. Die Tatsache, dass fast alle anfangs mit extrem wenig Ahnung und komplett ohne Strategien und Risikomanagement erfolgreich waren, ist eine solche Parallele. Wenn man sich genauer anschaut, wodurch und wie die allermeisten Börsianer vom Börsenvirus infiziert wurden, dann ist das Phänomen des anfänglichen Erfolgs gar kein so großes Mysterium mehr. Das Gros der Börsianer wird durch eine positive Berichterstattung in den Medien auf Aktien, Rohstoffe oder heutzutage Kryptowährungen aufmerksam. Die Medien berichten dann darüber, wenn neue Rekordhochs in einem Markt erklommen werden und/oder binnen kürzester Zeit enorme Zugewinne erzielt werden konnten. Kurzum: Das Umfeld ist dann, wenn viele auf die Börse aufmerksam werden und ihr Engagement beginnen, so positiv, dass sie trotz Ahnungslosigkeit einfach mitgespült werden. Ich erinnere mich noch bestens an meine ersten Schritte. Es war zu Zeiten des Neuen Marktes, als man quasi jede Neuemission blind kaufen konnte, und damit rasend schnell Profite einfuhr. Wusste man, was man dort kaufte? Natürlich nicht! Einige Unternehmen, deren Aktien ich damals oft und sehr erfolgreich handelte, haben sogar nie etwas produziert. Es waren Luftblasen, leere Hüllen, wie sich erst später herausstellen sollte. Doch in dem Umfeld damals war das egal. Alles stieg, also auch solche Titel. Erleichternd kommt für den Anfangserfolg hinzu, dass der Neu-Börsianer noch keine negative Vorbelastung hat und somit keine Angst. Er zögert nicht und ist dadurch trotz Ahnungslosigkeit oft recht erfolgreich. Völlig klar: Wer es noch nicht erlebt hat, dass eine Aktie über Nacht 99% an Wert verliert, wer noch nicht bei einem Crash einen hohen fünfstelligen Betrag zerbröselt hat, der hegt keinerlei Gedanken in diese Richtung. So jemand sieht, dass eine Aktie steigt und springt rein. Dass eine Aktie mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von 1000 jederzeit abstürzen kann, das hat dieser Mensch in solch einem Entwicklungsstadium schlicht nicht auf dem Schirm. Also lässt er sich auch nicht durch etwaige Zweifel oder Bedenken von einem Kauf abhalten. Er kauft, und weil zu der Zeit beinahe alles steigt, ist er damit erfolgreich. In dieser Phase werden Börsianer, die keine realistische Selbsteinschätzung haben und die keinen Sinn für die Schwierigkeit dieses Geschäfts haben, buchstäblich versaut. Die Leichtigkeit und die Geschwindigkeit, mit der hier Monats- und Jahresgehälter eines normal arbeitenden Menschen verdient werden können führen primär zu zwei Dingen:

  1. Gravierender Selbstüberschätzung
  2. Mangelndem Respekt vor dem Geschäft und den Kontrahenten

 

In solchen Phasen wird man Aussagen lesen oder hören, die die etablierten Adressen und professionellen Händler diskreditieren. „10% kriegt auch meine Oma hin. Die Fonds können nichts. Ich habe letztes Jahr 50% gemacht mit meinem Aktienportfolio!“ Mal davon abgesehen, dass es einen himmelweiten Unterschied macht, ob jemand ein 10.000-Euro-Konto auf 15.000 Euro hoch handelt oder ob er Milliarden in einem Fonds, bei den ganzen Regularien, Pflichten und Limitierungen managed – irgendwann einmal durch eine günstige Marktphase Geld zu verdienen, das bekommt fast jeder hin. Die Kunst an der Börse ist, dauerhaft zu überleben. Kommt eine veränderte Marktphase, dann ist das verdiente Geld mit einer solchen Einstellung schneller wieder weg, als man „Hoppla“ sagen kann. Klar, wenn Vorwärts Büttelborn in einem Freundschaftsspiel gegen Bayern München 1:0 gewinnt, ist der Jubel auch riesig. Doch, wenn man dann denkt, man habe Champions-League-Niveau und wäre besser, als die Profis, dann wird man sein blaues Wunder erleben.

Der anfängliche Erfolg hat also vornehmlich einen guten Grund bei fast jedem, dem er beschert ist: Den günstigen Zeitpunkt für den Start. Das war es aber auch schon. Er birgt die Gefahr, dass ein Trader eine nur geringe oder gar keine Bereitschaft zur Weiterbildung zeigt. Am Markt lernt man jedoch ständig hinzu, da immer wieder Konstellationen auftreten, die in der Form nicht da waren. Wenn ich eines gelernt habe in den 20 Jahren, dann dass man sich darüber im Klaren sein muss, dass man zu jeder Zeit hinzulernen kann und sollte. Erfolg, der einem gefühlt in den Schoß fiel, für den weder Schweiß, noch Blut geflossen sind, wird naturgemäß nicht seriös verwaltet. Man managed dieses Geld dann wie Spielgeld und zockt bereitwillig damit. Idealerweise weiß ein anfänglich erfolgreicher Börsianer, dass sein Erfolg wenig mit seiner Cleverness und ganz viel mit dem günstigen Umfeld zu tun hat. Das ist das Verrückte an der Börse: Kurzfristig kann man mit dem falschen, wenn man es zur rechten Zeit anwendet, viel Geld verdienen. Man muss nur wissen, dass es eigentlich auf Dauer keine Chance auf Erfolg hat und rechtzeitig aufhören, ehe alles wieder weg ist. Und ebenso kann und wird jemand, der das Richtige (eine Strategie mit statistischem Vorteil handelt) macht, aber zur falschen Zeit, temporär Geld verlieren. Aber am langen Ende treffen beide Vorgehensweise den statistischen Erwartungswert. Der Erwartungswert von Zocken ist Null! Der Erwartungswert einer Strategie ist positiv.

Wenn ich ins Casino gehe und beim Roulette auf Zahlen wette, muss ich eben auch wissen, dass ein Erfolg reines Glück ist. Je öfter ich spiele, desto sicherer ist es, dass mein Geld in die Taschen des Casinos wandert. Und genau das muss das Casino natürlich auch wissen. Es darf nicht aufhören, seine „Wetten“ anzubieten, nur weil ein Glücksritter mal ein paar Erfolge hatte und es Geld an ihn auszahlen musste.

Irgendwann setzt dann eine andere Marktphase ein. Und die anfänglichen, leicht verdienten Gewinne lösen sich, begünstigt durch ein Gemisch aus Ahnungslosigkeit und Selbstüberschätzung, rasend schnell in Luft auf.

Als mir genau das 2000/2001 widerfuhr wusste ich wirklich nicht viel. Aber ich wusste, dass niemand sonst dafür verantwortlich war, außer mir selbst. Nicht die Börse war schlecht, und Trading war nicht pauschal Zockerei, nur weil ich damit am Ende Geld verloren hatte. Ich wusste, dass ich nichts (sagen wir mal gravierend zu wenig) wusste. An diesem Punkt begann ich, bewusst zu lernen. Andere nahmen die andere Abzweigung: Sie verteufelten die Börse, die Strategien, die sie einige Monate gehandelt hatten und wandten sich vom Marktgeschehen ein für alle Mal mit dem Fazit „Es ist Zockerei und funktioniert nicht!“ ab.

Ich kann Ihnen versichern: Trading funktioniert. Wenn Sie es auf eine fundamentale, statistische Grundlage stellen, dann verdienen Sie Geld. ABER, wer glaubt, dass es ausreicht, ein paar Regeln auswendig zu lernen, die einem ein Profi beigebracht hat, dann sind Sie gerade gefühlt in die Steinzeit zurückgefallen. Denn nach wie vor bleibt es dabei: Die Masse der Trader scheitert an der Konsequenten, dauerhaften Umsetzung, nicht an den Strategien. Märkte verhalten sich phasenweise irrational bzw. atypisch. Dadurch wird die eigentliche Methodik nicht falsch. Sie greift aber in manchen Phasen sehr gut, in anderen ganz in Ordnung und manchmal eben auch gar nicht. Wenn Sie erfolgreich sein wollen (und zwar am langen Ende), dann müssen Sie die mentale Achterbahnfahrt durchstehen, die die Börse für Sie bereithält auf dem Weg hin zum statistischen Erwartungswert Ihrer Strategie. Kurzum: Sie müssen sehr viele Wiederholungen einer methodisch korrekten Handlung vollführen, von denen einige überragend gut, andere sehr schlecht und viele mittelmäßig ausgehen. Und zu diesen notwendig vielen Wiederholungen (Trades) gemäß einer Strategie kommt es bei den allerwenigsten Tradern, weil sie ihre Psyche nicht im Griff haben und infolge dessen nur solange diszipliniert einen Regelsatz durchhandeln, wie es direkte Erfolge gibt. In Verlustphasen brechen Trader ab und verwerfen die Strategien. Wie fatal das ist, was psychologisch dahinter steckt und wie man dem begegnen kann, beschreibe ich im zweiten Teil unserer Serie „Psychologie im Trading“.

 

Ihr René Wolfram

 

 

 

 

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